"Wenn man bei uns arbeitet, gestaltet man die IT eines ganzen Landes mit"

18. April 2019

Mag. Christine Sumper-Billinger verantwortet als Geschäftsführerin des Bundesrechenzentrums den kaufmännischen Bereich sowie die Personalagenden des Dienstleisters des Bundes. Im Interview mit Rudolf Felser.

Portrait von Christine Sumper-Billinger, Geschäftsführerin im BRZ

Beständigkeit, Kompetenz und Freundlichkeit: Nach einem Gespräch sind es unter anderem diese Attribute, die man mit Christine Sumper-Billinger assoziiert. Sie ist – gemeinsam mit Markus Kaiser – Geschäftsführerin des Bundesrechenzentrums (BRZ). In dieser Position verantwortet sie seit 2007 unter anderem die Personalagenden des IT-Dienstleisters des Bundes mit seinen aktuell mehr als 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für österreichische Verhältnisse eine sehr ansehnliche Zahl, besonders im IT-Bereich. Doch angesichts der steigenden Anforderungen durch die Digitalisierung, die auch vor der Regierung und Verwaltung eines Staates nicht halt macht, sucht das BRZ genauso händeringend nach IT-Fachkräften, wie jedes andere Unternehmen auch. Dabei kann man als Mitarbeiter der "IT-Lebensader" Österreichs in seinem Bereich gestalterisch tätig sein, wie an kaum einem anderen Ort in diesem Land. Letztes Jahr hat das BRZ ein Rebranding durchgeführt, unter anderem auch, um genau diese Attraktivität als Arbeitgeber hervorzuheben. Wir haben mit der BRZ-Geschäftsführerin unter anderem über die Bedeutung der Digitalisierung für Österreichs Regierung, den Fachkräftemangel und Strategien dagegen sowie auch die Umsetzung der aktuell allgegenwärtigen DSGVO gesprochen.

Der Bundesregierung ist das Thema Digitalisierung sehr wichtig. Welche Auswirkungen hat das für Sie?

Wir als Bundesrechenzentrum sind der IT-Dienstleister der österreichischen Bundesverwaltung und somit auch im Thema Digitalisierung ein wesentliche Partner. Bundeministerin Schramböck hat bereits Initiativen wie das Portal oesterreich.gv.at und auch die Digitalisierung der wichtigsten Lebenswege gestartet. Natürlich hat das Einfluss auf uns. Wir haben bereits jetzt etliche Verfahren und Amtswege digitalisiert, zum Beispiel die antragslose Familienbeihilfe oder seit letztem Jahr die antragslose Arbeitnehmerveranlagung. Auf diese Weise wurden alleine letztes Jahr 850.000 Steuerpflichtige angeschrieben und es ist zu einer durchschnittlichen Auszahlung von 239 Euro an Steuergutschriften gekommen. Hier sieht man, dass der Weg der Digitalisierung schon beschritten wird. Aber natürlich müssen wesentliche Themenstellungen wie die Kommunikation mit der Wirtschaft oder das Once-Only-Prinzip, das besagt, dass Daten nur einmal bekanntgegeben werden und der Staat oder auch die Gebietskörperschaften in den Datenaustausch gehen und auf diese zur Verfügung gestellte Daten zugreifen, forciert werden. Die Initiativen der Bundesregierung gehen genau in diese Richtung – und das müssen sie auch. Denn die Anforderungen, die auf die Ressorts zukommen, werden auf der einen Seite immer größer, auf der anderen Seite aber auch die Einsparungen, die dort erfolgen sollen. Außerdem gehen 48 Prozent der Bundesbediensteten in den kommenden 13 Jahren in den Ruhestand. Das ist ein Potenzial für Einsparungen durch nicht vorgenommene Nachbesetzungen. Da geht es darum, Amtswege und interne Abläufe zu digitalisieren. Wir sind gerne der Partner, der das gemeinsam mit den Ressorts, aber vor allem auch mit den Partnern aus der Wirtschaft, umsetzt. Wir kaufen viele unserer Leistungen auch zu und vergeben mehr als die Hälfte unseres Volumens an den Markt. Wir sehen uns als Enabler für KMUs, um an Großprojekten mitzuarbeiten. Das ist der Weg, den wir auch weiter bestreiten wollen.

Lässt sich das mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerkstelligen?

Wir sind im Wachstum. Mit den vorhandenen Ressourcen geht das nicht. Deswegen greifen wir auch auf externe Partner, Mitarbeiter:innen und Know-how zu. Aber wir rekrutieren auch fleißig. Der "war for talents" ist gerade in der IT-Branche gegeben. Wir wählen aber auch den Weg, Mitarbeiter:innen selbst auszubilden und haben Trainee-Programme in den Bereichen SAP, Projektmanagement und JAVA gestartet. Wir wollen heuer 40 Trainees ausbilden und so von Anfang an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Training on the job an die Herausforderungen heranführen, die bei solchen Großprojekten zu bewältigen sind. Wir sind laufend auf der Suche und haben auch Partnerschaften mit Universitäten und Fachhochschulen, um relativ rasch an talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heranzukommen.

Trifft dieser Druck zu sparen, von dem Sie im Zusammenhang mit den Ressorts gesprochen haben, auch Sie selbst?

Wir sind ein nicht-gewinnorientiertes Unternehmen. Wenn man unsere Stundensätze mit denen am Markt vergleicht, dann ist das eine Win-Win-Situation für den Bund, uns als ausgegliedertes Unternehmen mit diesen Dienstleistungen zu beauftragen. Natürlich sind auch wir zu Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit aufgerufen. Wir gehen sehr kritisch bei Rekrutierungen vor und überlegen genau, ob wir diese Ressource nachhaltig brauchen und ob die Auslastung zu hundert Prozent gegeben ist. Wir haben Verantwortung gegenüber der/dem Steuerzahler/in, aber auch gegenüber einer/einem potenziellen Mitarbeiter/in. Ich kann eine/n Mitarbeiter/in nicht an Bord holen, ihm eine Perspektive versprechen und mich dann wieder von ihm trennen. Wir gehen sehr gewissenhaft vor, natürlich mit dem Fokus unsere Leistung möglichst kostengünstig anzubieten – denn es ist Steuergeld, das ausgegeben wird. Das BRZ ist kein Dienstleister, der von den Ressorts verpflichtend zu beauftragen ist. Wir stehen im Wettbewerb mit der ganzen, breiten Palette der IT-Wirtschaft, entsprechend müssen wir auch wirtschaftlich agieren.

Sie sind seit rund zehn Jahren in Ihrer Position beim BRZ tätig. Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Problem "Fachkräftemangel in der IT" seither entwickelt? Sieht es heute besser oder schlechter aus?

Eine Besserung sehe ich nicht. Ich bin der Überzeugung, dass wir im Schulsystem viel früher ansetzen müssen, um die Schülerinnen und Schüler für technische Fächer zu begeistern. In den Köpfen sind durch die Medien oft noch Stereotypen von Berufsbildern verankert. Was viel zu wenig passiert, ist, dass Kinder schon im Volksschul-Alter an Technologie und was man damit alles gestalten kann herangeführt werden. Die heute unerlässliche technologische Bildung muss auch im Lehrplan verankert werden. Früher war die IT ein Unterstützer von Prozessen, heute ist sie die Lebensader jedes Unternehmens. Wenn sie nicht funktioniert, dann steht alles – ob das jetzt die Finanzverwaltung ist oder ein Produktionsbetrieb in der Automobilindustrie. Man müsste technologische Berufe auch viel mehr von der Geschlechtertrennung wegbringen. Vielleicht muss man Mädchen anders an das Thema heranführen als Burschen. Man muss im Technologiebereich Initiativen setzen, damit sich diese Stereotypen nicht weiterziehen. Die meisten Absolventinnen und Absolventen gibt es immer noch in den selben Fächern, wie zu meiner Studienzeit. In den MINT-Fächern dürften es heute gerne wesentlich mehr sein. Das werden wir brauchen. Denn wenn wir das in Österreich nicht schaffen, werden wir einen Standortnachteil erzielen, weil wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Wirtschaft braucht, um ihre Leistungen zu erbringen, nicht haben werden.

So ganz unter uns: Wir haben sie heute schon nicht.

Da sehe ich genauso. Wir brauchen drei bis sechs Monate, um gute Leute auf passende Positionen zu bringen. Das ist ein Wahnsinn und außerdem ein Kostenfaktor, weil man überbrücken muss. Wir versuchen deshalb, auf unsere Art einen Beitrag zu leisten. Wir machen zum Beispiel einen Töchtertag, beteiligen uns an Initiativen und entsprechenden Foren und stehen Schulen für Exkursionen zur Verfügung. Wir lassen die Kinder einen Computer zusammenbauen und programmieren, zeigen wie aus dem Programm ein ausgedruckter Bescheid wird. Man muss diese Themen greifbar machen. Wir beteiligen uns auch an Fachveranstaltungen wie GovTech Pioneers, wo wir einen Workshop gestalten oder der WeAreDeveopers-Konferenz. Wir tun das, um präsent zu sein und zu zeigen, was das Bundesrechenzentrum alles an technologischer Breite bieten kann. Da muss einem als IT-ler eigentlich das Herz aufgehen, weil er hier alles machen kann, was er technologisch will. Ich traue mich zu sagen, dass wir im Haus sämtliche technologischen Themenstellungen haben. Die Entwicklungsmöglichkeit ist groß. Wenn man bei uns arbeitet, gestaltet man die IT eines ganzen Landes mit. Das kann ich in einem anderen Unternehmen nicht in dieser technologischen und gestalterischen Breite.