DSGVO & Blockchain: The odd couple?
12. Dezember 2018
Christian Piska und Marie-Catherine Wagner betrachten die Blockchain aus juristischer Perspektive. Die gute Nachricht: Blockchain und DSGVO schließen einander nicht zwingend aus. Auch unter dem Regime der DSGVO gilt: Yes, we can! Mithilfe von innovativen Ansätzen ist schon jetzt vieles möglich!
Game Changer. Als in den 1970er-Jahren mit der Entwicklung neuer Datenübertragungstechnologien und der Einführung des TCP/IP-Protokolls die Basis für das Internet gelegt wurde, hatte wohl niemand eine Vorstellung, wie sich diese neue Architektur einmal auf die Weltwirtschaft auswirken würde. Durch ihre speziellen Eigenschaften wie Unlöschbarkeit, Transparenz und Sicherheit von Daten und Transaktionen ist auch die Blockchain-Technologie ein Game Changer par excellence. Sie hat das Potenzial, Businessmodelle und Geschäftsprozesse zu revolutionieren, Transaktionsaufwand und -kosten zu minimieren, Wertschöpfung zu steigern und neue, innovative Perspektiven für die Gestaltung von Produkten und Service-Leistungen zu eröffnen. Diesen enormen Entwicklungsmöglichkeiten stehen allerdings datenschutzrechtliche Herausforderungen in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten gegenüber.
Vielfältige Möglichkeiten
Optimale Anwendungsbereiche für Blockchains ergeben sich überall dort, wo Daten von mehreren Stellen zusammengeführt und verarbeitet werden. Auch dann, wenn ein Abgleich in Echtzeit erfolgen soll beziehungsweise die Automatisierung von Transaktionen und der direkte Zugriff aller daran Beteiligten ohne zentrale Instanz erwünscht ist, hat die Blockchain ihre Sternstunde. Zeitstempel, die beweisen, wann bestimmte Informationen bereits existiert haben, können durch Smart Contracts mittels Hashes fälschungssicher vergeben werden. Eine offizielle Instanz, die den Stempel bereitstellt, ist nicht mehr nötig. Besondere Vorteile bieten Blockchains auch für fälschungssichere Archivierungsaufgaben und exakt nachvollziehbare, transparente Dokumentationen.
Mehr Vertrauen schaffen
Blockchains in Form von Smart Contracts kommen derzeit schon häufig in der Automatisierung von Logistik, Workflow und Supply Chains sowie gelegentlich in Produktionsbetrieben bei Erzeugungs- und Wartungsprozessen zum Einsatz. So planen internationale Nahrungsmittelhersteller, gemeinsame Blockchains zu betreiben, die allen am Prozess Beteiligten – Erzeugern, Lieferanten, Verarbeitungsbetrieben, Groß- und Einzelhändlern und Konsumenten – Zugriffsrechte zu Informationen über Produkte in der Lebensmittelkette gewähren. Damit kann vor allem auf Verbraucherseite ein bislang völlig unerreichbarer Level of Trust geschaffen werden, zum Beispiel im Fall der immer beliebter werdenden Bio-Produkte. Ein breites Anwendungsportfolio liegt auch im Finanzsektor, wo sich unter anderem Auslandsüberweisungen, Smart Payments, Trade Financing, Wertpapierhandel und rechnungslose Finanztransaktionen (Paperless Trade) effizient und kostengünstig auf Blockchains abwickeln lassen.
Große Erwartungen
Potenzielle Use Cases in der öffentlichen Verwaltung sind beispielsweise Wahlen, das – z. B. in Schweden und Georgien bereits implementierte – Grundbuch, das Firmenbuch sowie Patentverzeichnisse. Auch im Gesundheitswesen, in der Finanzverwaltung sowie bei Polizei, Justiz und Landesverteidigung eröffnen Blockchains eine Vielfalt von Optimierungsmöglichkeiten. Große Erwartungen an Smart Contracts hat man – auch in Bezug auf Cybersicherheit – bei der Vernetzung von physischen und virtuellen Dingen im Internet of Things.
DSGVO als Stolperstein?
Bei personenbezogenen Daten werden die Blockchain-Anwendungen im Einzelfall zu prüfen sein. Insbesondere das in der DSGVO vorgesehene „Recht auf Vergessen“ stellt eine gewisse Hürde in Bezug auf die zentrale Eigenschaft der Unlöschbarkeit dar. Dieses Spannungsverhältnis gilt es durch den Einsatz geeigneter IT-Technologien aufzulösen.
So könnte es funktionieren
Eine Möglichkeit, der DSGVO gerecht zu werden, ist Privacy by Design. Dabei wird die Software-Architektur an den jeweiligen Fall angepasst. Ein wesentlicher Aspekt ist hier die Vergabe von Schreib- und Leserechten. Das Spektrum reicht von einer open/permissionless Blockchain, an der jeder uneingeschränkt teilnehmen kann und den Source Code kennt, bis zur privaten closed/ permissioned Blockchain, die nur einem bestimmten Kreis von Menschen vorbehalten ist und zentral von einem Verantwortlichen im Sinne der DSGVO, der Zugangsrechte vergibt, administriert wird.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Besondere Vorteile in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten bieten editierbare Varianten von permissioned Blockchains. Während die Blockchain-Technologie grundsätzlich darauf beruht, dass kein Hash (Zeichenfolge) mehr als einmal zugeordnet wird (Kollisionsfreiheit), ist das bei editierbaren Blockchains (durch die Programmierung von sogenannten Chameleon Hashes) anders. Sie ermöglichen, dass speziell ermächtigte Administratoren – unter definierten Voraussetzungen – ausnahmsweise Veränderungen vornehmen können, die z. B. durch die DSGVO vorgeschrieben sind. Dazu zählt etwa das Recht auf Löschung. Derartige Modelle lassen die kryptografischen Schlüsselelemente der Blockchain unangetastet, sind jedoch nur für geschlossene Systeme geeignet, die von zentralen Aufsichtsinstanzen verwaltet werden. Offene Blockchains ohne zentrale Aufsichtsinstanz würden dadurch ansonsten meist unglaubwürdig.
Innovative Ansätze notwendig
Durch Delegated Computational Systems ist es möglich, Verarbeitungsprozesse off-Blockchain so durchzuführen, dass eine Löschbarkeit gewährleistet ist, die essenziellen Blockchain-Vorteile aber nicht verloren gehen. Außerhalb der Blockchain gesicherte personenbezogene Daten werden dabei durch ein Zero-Knowledge-Protokoll (zkSNARKs) auf Richtigkeit verifiziert, ohne dass die Daten selbst auf der Blockchain verarbeitet werden müssen.
Geht nicht, gibt’s nicht
Inwieweit die Software-Architektur einer Anwendung DSGVO-konform ist, wird jeweils für den Einzelfall unter Berücksichtigung der geforderten Regulative wie Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Recht auf Berichtigung und Vergessen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen zu evaluieren und entscheiden sein.